Das vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot hat auch der Bieter bei der Auslegung der Ausschreibungsunterlagen zu beachten.

VK Bund, Beschluss vom 17.12.2018- VK 2-104/18

 

Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss vom 17.12.2018 hervorgehoben, dass der fachkundige objektive Bieter bei der Auslegung von Ausschreibungsunterlagen das vergaberechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten hat.

 

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Auftraggeber Rabattverträge für Humanarzneimittel ausgeschrieben. Innerhalb der Fachlose wurden sogenannte Preisvergleichsgruppen auf Basis der Wirkstoffmenge des Arzneimittels gebildet. Diese Preisvergleichsgruppen dienten dazu, die Wirtschaftlichkeit des Angebots bewerten zu können. Auf Nachfrage eines Bieters wurde die veröffentlichte Berechnungsmethode abgeändert und konkretisiert. Danach kam es allein auf die Abgabenmenge des Wirkstoffes über das Inhalationsmundstück an. Nach den Ausschreibungsunterlagen war sowohl die Wirkstoffmenge der Gesamtpackung als auch die Wirkstoffmenge, die über das Inhalationsmundstück vermittelt wurden, zu benennen. Bei der Ausschreibung wurde davon ausgegangen, dass aufgrund von Wirkungsverlusten die Wirkstoffmenge der Gesamtpackung von der Wirkstoffmenge des Inhalationsmundstücks abweichen würde.

Den Zuschlag erhielt der Bieter, bei dem die Wirkstoffmenge der Gesamtpackung und die über die Mundstücke vermittelte Wirkstoffmenge identisch waren. Die Antragstellerin glaubte, dass dieses Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen, weil mit der Angabe einer wirkstoffgleichen Menge für Gesamtpackung und Mundstück eine Abweichung von den Ausschreibungsunterlagen hätte angenommen werden müssen.

 

Der Nachprüfungsantrag wurde als unbegründet zurückgewiesen, da das Angebot der Beigeladenen nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV wegen Änderungen oder Ergänzungen der Ausschreibungsunterlagen hätte ausgeschlossen werden müssen. Zwar sei in den Ausschreibungsunterlagen davon die Rede gewesen, dass von einer unterschiedlichen Wirkstoffmenge der Gesamtbehälter im Vergleich zu der Summe der Wirkstoffmenge aus den Inhalationsmundstücken ausgegangen wurde. Die Angabe der Beigeladenen, wonach die Wirkstoffmengen nahezu identisch waren, stellt jedoch keine unzulässige Änderung der Vergabebedingungen dar.

„Dies folgt aus einer Auslegung des Wortlauts der Preisvergleichsgruppen zum Fachlos […] nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont eines mit der Ausschreibung befassten fachkundigen objektiven Bieters gemäß den auch auf das Vergabeverfahrensrecht anzuwendenden vertragsrechtlichen Grundsätzen für die Auslegung von Willenserklärungen der §§ 133, 157 BGB.“

Vor diesem Hintergrund seien die Vergabeunterlagen dahingehend auszulegen, dass es maßgeblich nur auf die über das Inhalationsmundstück abgegebene Wirkstoffmenge des Arzneimittels ankomme, um eine Bewertung innerhalb der Vergleichspreisgruppe vornehmen zu können. Dafür spräche zum einen, dass eine andere Auslegung zu einer vergaberechtlich nicht begründbaren Diskriminierung der Anbieter führen würde, deren Produkt quasi ohne Wirkstoffverlust die jeweilige Wirkstoffmenge abgeben könne. Denn dann sind die Wirkstoffmengen der Gesamtpakete und die Summe der einzelnen Inhalationsmundstücke identisch. Würde man die Ausschreibungsunterlagen im Sinne des Antragsstellers verstehen, so würde damit ein Mindestzuschlagskriterium aufgestellt, wonach immer eine Abweichung der Wirkstoffmenge des Gesamtpakets zur Summe der Inhalationsmundstücke erforderlich sei. Eine solche Ausschreibung würde aber der Vorgabe einer produktneutralen Ausschreibung (§ 31 Abs. 6 VGV) widersprechen.

 

Die von der Antragstellerin vertretende Betrachtungsweise sei für einen fachkundigen objektiven Bieter auch fernliegend. Diese Auslegung führe dazu, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Angebot, das potenzielle Verlustmengen nahezu ausschließen würde, nicht bewertet werden dürfe. Dies widerspricht aber dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot.

 

Dr. Pils