BGH entscheidet Meinungsstreit zum Bestehen von Mängelrechten vor Abnahme

Der BGH hat in 2 Entscheidungen vom 19.01.2017 den Streit beendet, ob und unter welchen Voraussetzungen Mängelrechte auch vor bzw. ohne Abnahme geltend gemacht werden können.

Zunächst bestätigt der BGH, dass Mangelrechte nach §§ 634 ff. BGB grundsätzlich erst nach Abnahme geltend gemacht werden können. Zur Begründung hebt er darauf ab, dass das Gesetz zwischen dem Erfüllungsanspruch und einem Nacherfüllungsanspruch differenziert und die Abnahme als maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt, wann ein Erfüllungsanspruch in einen Nacherfüllungsanspruch übergeht. Zudem sei der Besteller auch vor Abnahme nicht rechtlos gestellt, da sein Interesse – angemessen – durch das allgemeine Leistungsstörungsrecht nach §§ 280 ff. (Schadenersatz neben und statt Leistung sowie wegen Verzögerung), 323 (Rücktritt), 314 (Kündigung aus wichtigem Grund) geschützt sei.

Soweit der Grundsatz. Ausnahmen davon sollen nach den Entscheidungen des BGH dann gegeben sein, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Denn dann kann der Besteller vom Unternehmer nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen.

In seiner Entscheidung zum Aktenzeichen VII ZR 235/15 ist von einem Abrechnungsverhältnis dann auszugehen, wenn der Besteller wegen vorhandener Mängel den Werklohn des Unternehmers mindert und/oder Schadenersatz statt Leistung als kleinen Schadenersatz geltend macht. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Unternehmer das beauftragte Bauwerk so mangelhaft errichtet, dass es abgerissen und neu errichtet werden musste. Der Besteller hatte den Werklohn soweit gemindert, dass aufgrund der bereits geleisteten Abschlagszahlungen eine Überzahlung eingetreten war und er diese erstattet verlangte. Zusätzlich begehrte er vom Unternehmer im Wege des Schadenersatzes statt Leistung als kleinen Schadenersatz die Kosten für den Rückbau und Wiederaufbau des Bauwerks. Die Minderung begründet nach Auffassung des BGH hier die Annahme eines Abrechnungsverhältnisses, weil der Besteller mit der Minderung zu erkennen gegeben hat, dass es ihm nicht mehr um die Erfüllung des Vertrages geht. Macht der Besteller einen Schadenersatz statt Leistung nach §§ 634 Nr. 4, 281 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 BGB geltend, ist der Anspruch auf Leistung nach § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen. Allerdings setzt der Übergang in ein Abrechnungsverhältnis immer voraus, dass der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet.

In seiner weiteren Entscheidung vom 19.01.2017 zum Aktenzeichen VII ZR 193/15 hat der BGH klargestellt, dass ein Kostenvorschussanspruch nicht den Übergang in ein Abrechnungsverhältnis begründet. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Unternehmer den geschuldeten Terrassenbelag mit erheblichen Mängeln ausgeführt. Drei Nachbesserungsversuche führten nicht zum Erfolg. Der Unternehmer war aber weiterhin zur Nachbesserung bereit. Der Besteller verlangte vom Unternehmer einen Vorschuss zur Mangelbeseitigung im Wege der Selbstvornahme.

Der BGH hat hier die Ablehnung des Übergangs in ein Abrechnungsverhältnis damit begründet, dass der Kostenvorschussanspruch den Erfüllungsanspruch des Bestellers nicht erlöschen lässt. Solange dieser besteht, soll kein Abrechnungsverhältnis entstehen. Der Besteller ist hier über das allgemeine Leistungsstörungsrecht ausreichend geschützt. Ausnahmsweise soll ein Übergang in ein Abrechnungsverhältnis jedoch möglich sein, wenn der Besteller endgültig und ernsthaft zum Ausdruck bringt, dass er unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer zusammen arbeiten will. Denn dann gibt der Besteller zu erkennen, dass er gegenüber dem Unternehmer lediglich einen Geldanspruch verfolgen will. Dann soll auch der Übergang in ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis angenommen werden können.

Soweit so klar; jedoch bleibt viel Raum für die Feststellung, wann der Besteller eine Erfüllung durch den Unternehmer endgültig und ernsthaft ablehnt.

 

Dr. Pils